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Stellungnahme des Weißenfelser Oberbürgermeister Robby Risch zu den Maßnahmen in Zusammenhang mit der Firma Tönnies

Video: 25.06.2020

 

Liebe Weißenfelserinnen, liebe Weißenfelser,

aus gegebenem Anlass möchte ich mich heute an Sie wenden und dieses Medium nutzen. Ich darf mich auch gleichzeitig beim BLK Online TV bedanken, dass Sie sich hier engagieren und natürlich auch dazu beitragen, dass die Bürger dieser Region gut informiert sind.

Als Erstes: Ein ganz großes Dankeschön. Und zwar Ihnen allen für die Disziplin in den bisher vergangenen Corona-Zeiten. Es ist ja nicht absehbar, wann es zu einer endgültigen Wiederauflösung kommt, aber gerade diese Disziplin hat uns letztendlich geholfen, bisher gut durch diese Zeit zu kommen.

Und jetzt zu den Geschehnissen in Gütersloh, ganz speziell in der Stadt Rheda-Wiedenbrück, dem Hauptsitz der Firma Tönnies. Jeder weiß, dass das Unternehmen auch in Weißenfels einen großen Schlachthof betreibt. Klar, dass es Sorgen gibt. Klar, dass man sich Gedanken macht. Und leider ist es genauso klar, dass es eine Vielzahl von Meldungen – aber auch Falschmeldungen – gibt. Deshalb möchte ich die Gelegenheit nutzen, kurz zu berichten, wie wir, das heißt der zuständige Landkreis und die Stadt Weißenfels, mit dieser Situation umgehen. Vielleicht eines noch vorab: Es gibt eine gute Zusammenarbeit. Auch wenn das Gesundheitsamt oder das Amt für Brand- und Katastrophenschutz in Naumburg ist – wir sind in engem Kontakt und tauschen uns aus. Wir erhalten auch regelmäßig die aktuellen Zahlen. Insofern kann ich mich auch an dieser Stelle nur bedanken.

Was ist jetzt eigentlich aktuell passiert? Und was ist überhaupt der Grund, warum ich hier zu Ihnen sprechen möchte? Ja, es gab die Geschehnisse in Rheda-Wiedenbrück. Aus Testreihen der Firma Tönnies heraus wurden mehrere hundert Fälle festgestellt. Der dortige Landkreis hat dann übernommen. Mit dem heutigen Ergebnis: Über 1.500 Beschäftigte des Unternehmens sind infiziert.

Sie alle haben vielleicht die Meldungen verfolgt, dass der Landkreis erstmal in die Gänge kommen musste. Das wollten wir hier vor Ort vermeiden und haben deswegen einen intensiven Informationsaustausch vorgenommen. Das heißt also, wir haben geliefert und das Ergebnis ist etwas, dass Sie im digitalen Bereich als Corona-App kennen. Gerade weil es die Ergebnisse noch nicht gibt, vor allem nicht flächendeckend oder unternehmensspezifisch, wollen wir für den Fall der Fälle gewappnet sein. Wir wollen wissen: Wo sind die Mitarbeiter untergebracht? Wo haben sie ihren Wohnsitz? Wer sind die Ansprechpartner? Wer sind die zuständigen Personen hier vor Ort?

An dieser Stelle möchte ich noch einmal sagen: Es gibt eine gute Zusammenarbeit nicht nur mit der Firma Tönnies, sondern auch mit den Werksvertragsunternehmen. Wir sind seit drei Jahren mit ihnen in Kontakt und dieser geht soweit, dass wir sehr wohl über die Wohnsituation Bescheid wissen. So kann ich Ihnen auch berichten, dass beispielsweise aktuell zusätzliche Reinigungskräfte engagiert wurden, dass Hausmeister die Wohnungen desinfizieren. Man ist sich seiner Verantwortung an dieser Stelle also sehr wohl bewusst.

Natürlich habe ich auch das Gespräch mit meinem Kollegen in Rheda-Wiedenbrück gesucht, weil wir letztendlich für diesen Fall das Rad nicht neu erfinden, sondern schauen müssen: Welche Wege waren gut? Welche sind angezeigt für den Fall der Fälle? Und Sie wissen ja, dass die Sorge nicht nur bei den unmittelbar Betroffenen aus den Unternehmen, sondern natürlich auch in der Bevölkerung groß ist. Da kann ich mich persönlich nur miteinschließen. Viele haben jetzt natürlich Sorge vor den Sommerferien. Geht es uns genauso wie den Bewohnern im Landkreis Gütersloh, die auf einmal in Bereichen von Deutschland zur Persona non grata erklärt werden, oder ihren Urlaub gar nicht erst antreten können?

Genau aus diesem Grund laufen dort derzeit umfangreiche Quertestungen. Man sucht einen repräsentativen Querschnitt in der Bevölkerung. Aber allen muss bewusst sein: Ein solcher Test ist immer nur eine Momentaufnahme. Das kann am nächsten Tag schon wieder völlig anders aussehen. Genau deshalb ist es wichtig, dass man regelmäßig testet.

Was sich allerdings herauszukristallisieren scheint, ist, dass es speziell die Arbeitsbedingungen sind, die dazu führen, dass ein besonders hohes Infektionsrisiko besteht. Jetzt wird vielleicht jeder denken: Das ist die harte Arbeit. Das ist der Stress. Ja, es ist ein harter Job und ich glaube, das ist uns auch allen bewusst. Weshalb lassen wir denn diese Arbeit von migrantischen Arbeitnehmern – wie das korrekt heißt – aus Polen, Rumänien oder Bulgarien machen?

In diesen Produktionsbereichen, die aus Hygienegründen einer permanenten Kühlung unterliegen, trägt die Luftzirkulation eine nicht unwesentliche Verantwortung. Sie müssen sich das so vorstellen: Sie sitzen in einem klimatisierten Pkw und schalten die Klimaanlage auf Umluft. Natürlich gibt es dort, wo mehrere Menschen arbeiten, noch eine Frischluftzufuhr. Aber Sie können sich – vielleicht auch mal in einem Selbstversuch – schon gut vorstellen, was da passiert: Wenn da nur ein Infizierter dabei ist, dann gibt es natürlich ein ganz hohes Ansteckungsrisiko. Das scheint im Moment der Risikofaktor zu sein, weshalb es ja nicht nur bei der Firma Tönnies oder Westfleisch passiert ist, sondern auch in anderen Lebensmittelbetrieben.

Nun haben wir natürlich wieder Kontakt mit dem Landkreis gesucht, haben auch da nochmal darauf hingewiesen, denn diese Arbeitsbedingungen sind ja kein Tönnies-spezifisches Problem! Wir haben große Lebensmittelindustrien bei uns im Landkreis: Da sind das Lager und die Zerlegungen in Osterfeld. Das ist Henglein, die Kloßproduktion. Das kann aber durchaus auch noch in anderen Bereichen sein, zum Beispiel das Gewächshaus in Zorbau ist ein solcher Punkt, der Mitarbeiter in einem abgeschirmten, klimatischen Bereich beschäftigt.

Ja – und dann passieren Fehler. Und zu einem solchen Fehler gehört meines Erachtens ganz klar, wenn jetzt – egal durch wen – in Schulen, in Einrichtungen personalisiert nachgefragt wird. Ja, wir wollen vorbereitet sein. Ja, wir wollen eine analoge App gestalten. Aber nein, wir wollten hier niemanden persönlich beziffern oder erkennen. Ich glaube, das wird sich auch im Nachgang noch als Fehler in diesen bewegten Zeiten erweisen.

Was passiert jetzt eigentlich bei uns aktuell in der Stadt – oder ganz speziell bei der Firma Tönnies? Was führt beispielsweise dazu, dass heute eine Pressemitteilung rausgeht, ein Tönnies-Beschäftigter sei positiv getestet worden?

Vielleicht als Erstes eines: Der ein oder Andere wird jetzt sagen: Es geht los! Nein, ich denke mitnichten. Es ist nämlich so, dass die Firma Tönnies seit Beginn der Corona-Krise auch hausintern Maßnahmen ergriffen hat. Seit Mitte Februar werden beispielsweise alle Mitarbeiter durch einen Thermoscan erfasst. Sobald es irgendwelche Indizien für Fieber oder andere Krankheitssymptome gibt, werden diese Mitarbeiter dem Amtsarzt oder dem vor kurzem noch vorhandenen Fieberzentrum hier in Weißenfels vorgestellt.

Wir haben hier vor Ort ein hohes Stammpersonal. Mitarbeiter, die aus dem Urlaub zurückkommen, müssen sich ebenfalls als erstes diesem Test unterziehen. Sie müssen separat angemietete Wohnungen beziehen und erst wenn das Testergebnis tatsächlich negativ ist, wenn also die Bestätigung da ist, dann kann ein Arbeitsantritt – Dienstbeginn müsste man ja korrekterweise sagen – im Werk erfolgen. Dieses System hatte bisher Erfolg, weshalb wir hier auch innerhalb der Stadt keine Corona-Fälle verzeichnen.

Es gab zwei Fälle. Der eine war am 10. Juni. Das war genau diese Situation: Ein Mitarbeiter wurde vor Dienstbeginn getestet. Er war also niemals auf dem Gelände. Und so ist es auch heute: Dieser Mitarbeiter, der sich um eine Arbeit beworben hat, hat sich vor Arbeitsantritt diesem Test unterworfen und gilt jetzt als Infizierter. Er wird seine Arbeit aber eben auch nicht antreten.

Und wenn wir schon einmal bei Tests sind: Ich hatte es vorhin ja bereits gesagt. Ja, es wird immer eine Momentaufnahme sein. Und als vom 14. Mai bis zum 20. Mai dieser Großtest bei der Firma Tönnies lief, bei dem sich rund 50 Prozent der Beschäftigten – knapp 1.200 Menschen – freiwillig einem Test unterwarfen, da hatte nicht nur ich Bauchschmerzen. Wir hatten ja keine Ahnung, wie hoch die Dunkelziffer sein würde, denn viele Infizierte zeigen ja zum Teil gar keine oder nur leichte Krankheitssymptome.

Ich habe mich sicherlich wie viele, oder wie alle Weißenfelser, gefreut, dass diese Testreihe negativ ausgegangen ist. Positiv natürlich für die Stadt. Wir verfolgen mit Interesse, dass die Firma Tönnies seit mehreren Wochen in der eigenen Belegschaft, von der Verwaltung bis zum Zerlegeband, Querschnittstestungen macht, um nicht wieder in eine Situation zu kommen, in der es einen größeren Corona-Ausbrauch geben kann.

Zum Schluss noch eine Bitte: Zurzeit kursieren natürlich in den sozialen Medien die ein oder anderen Falschmeldungen. Das bringt die Zeit letztendlich mit sich. Wogegen ich mich aber vehement verwahre, ist, dass behauptet wird, dass wir vorige Woche, am Donnerstag den 18. Juni, im Stadtrat ein Thema behandelt hätten, dass Mitarbeiter aus Gütersloh nach Weißenfels versandt worden sind, um hier ihre Arbeit anzutreten. Mit der Quintessenz, Stadt, Stadtrat, Verwaltung wissen Bescheid – und tun nichts! Erstens war es niemals das Thema. Zweitens kann – natürlich, ich hatte kurz beschrieben, wie das Prozedere bei der Firma Tönnies ist – nahezu ausgeschlossen werden, dass Mitarbeiter aus Gütersloh hierherkommen, denn das Unternehmen ist doch nicht selbstmörderisch unterwegs. Sie wissen doch ganz genau, welche Verpflichtungen sie haben. Nicht gegenüber ihren Filialisten, an die das Fleisch geht, sondern in erster Linie gegenüber ihren Mitarbeitern und deren Familien und auch gegenüber der Region. So kann ich verstehen, dass man zum Beispiel zu einer Protestveranstaltung aufruft und für eine ökologische Landwirtschaft wirbt. Aber bitte nicht unter dem Slogan: Hier passiert unter den zuständigen Augen der Verwaltung und der zuständigen Gremien ein Transfer, der zur Gesundheitsgefährdung hier in Weißenfels führt.

In dem Sinne bin ich natürlich nach wie vor optimistisch, dass wir hier gut durch diese Krise kommen. Ich darf mich auch ausdrücklich bei dem Unternehmen bedanken, das mit einem sehr hohen Aufwand, aber auch mit einer sehr hohen Disziplin, seine festgelegten Maßnahmen umsetzt. Ich setze darauf, dass wir in Zukunft – und durch Corona ein Gutteil beschleunigt – auch hier zu anderen Lebens- und Arbeitsbedingungen kommen. Denn was die Wenigsten wissen, ist, dass sich die Firma Tönnies bereits vor der Corona-Zeit eine Agenda 2030 – die Agenda T30 – auferlegt hat, die nämlich genau das zum Ziel hat: Die Produktion von wertigem Fleisch unter anderen Haltungsbedingungen, die Unterbringung von Mitarbeitern in Form einer Betreuung in angemessenem Wohnraum. Das geht bis hin zur Gestaltung von Freizeit oder entsprechenden Freizeitangeboten.

In diesem Sinne: Keine Entwarnung! An der Stelle ganz deutlich. Bitte bleiben Sie auch weiterhin diszipliniert und vertrauen Sie uns, die wir das Geschehen im Blick haben und letztendlich allen Verantwortlichen, sodass wir auch weiter gut durch die Krise kommen.